Zerstört nicht das Weltall der Worte,
Projekt: Dialog, Haus Seel, Siegen 1996

 

ausgerichtet von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
und der Stadt Siegen

 

 

„...Das Licht kommt von oben, und die Decke dieses Raumes erlaubt dem Licht durchzuscheinen, durchzuschimmern. Wir betreten den Raum und schauen dem Licht entgegen. Da, wo der Stein zurückgetreten ist, um dem Licht Durchgang zu gewähren, da fügen sich Formen von Buchstaben ein, die Wörter bilden, die wiederum Sätze bilden, die zusammen Gedichte bilden. Es sind Gedichte von Nelly Sachs, die Christine Kühn über unseren Köpfen erscheinen läßt. Sie greift die Gedankengüter der Glasmalerei des hohen und späten Mittelalters auf; wir denken an Chartre..... doch sind es hier keine Heiligen, die diese mystische Sphäre zwischen Lichtquelle und menschlichem Betrachter beleben, sondern Worte, Gedichte. Sie sind nicht illustrativ für uns bearbeitet, das Gefühl wird nicht in Szene gesetzt. Was wir sehen sind nach wie vor Gedichte, aber nicht im Sinne der kühlen typographischen Kunst des Setzers, sondern Worte die Bilder sind. Es wird schnell geschrieben, langsam geschrieben. Es wird groß geschrieben und mutig geschrieben aber auch klein und sensibel. Helle Buchstaben und dunkle wechseln sich ab. Die Gedichte sind nicht unbedingt zum Lesen da. einfacher wäre es ein Buch zur Hand zu nehmen, will man Nelly Sachs selbst lesen und erfahren. Christine Kühn präsentiert uns vielmehr ihr spontanes Erleben der Texte der Dichterin und stellt sie ins Licht, das die Worte erleuchtet und für uns sichtbar macht. Vom Papier und Buch befreit schweben sie und werden der Natur zurückgegeben. Das Licht ändert sich im Laufe des Tages. Gelegentlich tritt eine Wolke vor die Sonne. Von Moment zu Moment ändert sich, was über uns zu sehen ist ...“

Michael Wolfson
(Dom und Diözesanmuseum Hildesheim)

 


  

   Zerstört nicht das Weltall der Worte, 1996      Zerstört nicht das Weltall der Worte, 1996      Zerstört nicht das Weltall der Worte, 1996      Zerstört nicht das Weltall der Worte, 1996      Zerstört nicht das Weltall der Worte, 1996


 

Do Not Destroy the Universe of Words (Nelly Sachs)
Haus Seel Siegen

By Invitation of the Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit [Association for Christian-Jewish Collaboration] and the town of Siegen

... Light comes from above, and the ceiling of this space permits the light to shine through, to shimmer through. We enter the space and look toward the light. Where the stone has given way to allow the light to enter, the shapes of letters are introduced, forming words, which in turn form sentences, which together form poems. These poems that Christine Kühn makes appear above our heads are by Nelly Sachs. [Kühn] alludes to the traditions of the high and late middle ages; we think of Chartres ... yet here there are no saints to enliven this mystical sphere between the light source and the human observer, but words, poems. They are not illustrated for us, the emotion is not staged. What we see are still poems, but not in the sense of the cool, typographic art of the typesetter, rather, words that are images. She writes quickly, she writes slowly. She writes in big letters, boldly, but also in small letters, sensitively. Bright and dark letters alternate. The poems are not necessarily there to be read. It would be simpler to pick up a book if one wanted to read and experience Nelly Sachs for oneself. Rather, Christine Kühn presents us with her spontaneous experience of the poet's writings and exposes them to the light that illuminates the words and makes them visible to us. Released from paper and book, they float and are given back to nature. The light changes during the course of the day. Sometimes a cloud passes in front of the sun. From moment to moment, what is visible above us changes ...

Michael Wolfson
(Cathedral and Diocesan Museum, Hildesheim)
Translated by Amos Weisz